ICE e.V. 15 Jahre in Pappritz - wer oder was ist das eigentlich?

"Brücken bauen in Europa - Freiwillig Teilen und Dienen"

"ICE" ist ein Akronym, also ein Kunstwort, das aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter zusammengesetzt ist. Akronyme sind heute gebräuchlich. Ihnen wird umgangssprachlich meist der Vorrang gegenüber der Nennung des vollen Wortlautes gegeben. Wer spricht denn schon vom Technischer Überwachungs-Verein, wenn zum Beispiel sein Fahrzeug wieder zur vorgeschriebenen TÜV-Prüfung muss oder vom Personal-Computer, wenn es am PC mal Probleme gibt. Auch gibt es Akronyme, die in der Buchstabenkombination für mehrere Bedeutungen stehen. Mit ICE ist nämlich in unserem Fall nicht der InterCityExpress, sondern der Verein Initiative Christen für Europa e.V. im Hans-und-Sophie-Scholl-Haus auf dem Wachwitzer Höhenweg gemeint.

Der ICE ist schon seit 15 Jahren in Pappritz präsent und leistet eine anerkannte Arbeit. Dennoch wissen die meisten Einwohner recht wenig über diesen Verein.

Anfang der 90er Jahre wurde von der damaligen Gemeinde Pappritz eine sinnvolle Nutzung für das ehemalige Kali-Objekt gesucht. Das vom katholischen Bistum Dresden-Meißen herangetragene Projekt zur Einrichtung eines politisch sozialen Bildungswerkes kam dem entgegen.

Bild vergrössern Die Gemeinderäte unterstützten das Vorhaben, einen Beitrag für bedürftige Menschen und die Verständigung in Europa zu leisten und hierfür zugleich der Jugend eine Chance zu geben, sich in ein soziales Projekt befristet auf Freiwilligenbasis einzubringen.

Der Rechtsvorgänger des ICE existierte bereits in Aachen, wurde durch Pater Theobald Rieth gegründet und befasste sich mit dem freiwilligen sozialen Dienst im westlichen Europa. Mit den demokratischen Veränderungen in den Jahren 1989/90 stellte sich der Verein die Aufgabe, durch Jugendbegegnungen und Jugendaustausch auch im östlichen Europa einen aktiven Beitrag für eine Versöhnung und Verständigung zu leisten. Seit 1991 trägt somit der Verein den Namen Initiative Christen für Europa e.V. (ICE). Der ICE ist ein gemeinnütziger Verein der freien Jugendhilfe, er ist Träger des gesetzlichen Freiwilligen sozialen Jahres im In- und Ausland sowie auch anerkannte Zivildienststelle. Im Freiwilligendienst der Europäischen Union ist der ICE zugleich Entsende- und Aufnahmestelle jugendlicher Freiwilliger.
ICE-Team des Hans-und-Sophie-Scholl-Hauses Quelle: ICE

Mit "Brücken bauen in Europa - Freiwillig Teilen und Dienen" wurde bereits in den 80er Jahren die Zielsetzung für das Projekt des Vereins in Aachen genannt. Dem Verein kommt es dabei hauptsächlich auf die Freiwilligkeit, das soziale Engagement und das Dienen als tragende Elemente des Projektes an. Hinter dem Projekt verbirgt sich damit ein Lern-Dienst, der Freiwilligkeit und Dienen, Lernen und Übernahme von Verantwortung miteinander verbindet. Es soll neben dem Bekenntnis zur Menschenwürde und zu den Menschenrechten insbesondere ein Beitrag zu einer grenzüberschreitenden europäischen Gemeinschaft geleistet werden.

Der Aufbau des ICE in Dresden ist vor allem Pater Rieth zu verdanken. Nachdem in Pappritz ein geeignetes Objekt gefunden wurde, hat der ICE das ehemalige Kinderferienlager des VEB Kaliwerk Volkenroda umfangreich saniert und als Basis für die Vorbereitung und Durchführung des Freiwilligen sozialen Jahres Jugendlicher ausgebaut. So entstand in Pappritz das Hans-und-Sophie-Scholl-Haus, welches heute ein anerkanntes Bildungszentrum für Europäische Freiwilligendienste und soziale Projekte mit 60 Betten darstellt. Zunächst war zwar eine gewisse Arbeitsteilung zwischen Aachen und Pappritz aufgrund der jeweiligen geographischen Lage hinsichtlich der Einsatzgebiete (Westeuropa/Osteuropa) geplant. Aachen war 1989 Entsendestelle für den Freiwilligendienst in Großbritannien, Frankreich und Italien. Dresden sollte es für Polen, Tschechien usw. werden. Heute werden die Jugendlichen sowohl in Aachen als auch in Pappritz auf ihren Freiwilligendienst europaweit vorbereitet, denn mit der Erweiterung auf Osteuropa verzeichnete der Verein bereits 1991 Freiwilligendienste in 10 Ländern mit 25 Plätzen. Bis 1995 wurde das Netzwerk gar auf über 50 europäische Städte in 14 Ländern mit etwa 70 Plätzen ausgebaut. Heute haben die Freiwilligen die Möglichkeit, auf einen der mittlerweile über 200 Plätze in mehr als 100 Städten in insgesamt 21 west- und osteuropäischen Ländern zu leisten.

Etwa 40.000 junge Menschen haben sich bisher an den ICE gewandt und Interesse an einem freiwilligen sozialen Dienst bekundet. Rund 6.000 davon haben an einem der 4-tägigen Orientierungsseminare teilgenommen und über 1700 Freiwilligen hat der ICE seit 1988 die Möglichkeit für die Ableistung eines Dienstes im Ausland gegeben, aber auch für zahlreiche Freiwilligen aus europäischen Ländern die Voraussetzungen für einen Dienst in Deutschland geschaffen.

Der ICE e.V. befindet sich 2007/08 bereits im 19. Freiwilligen-Jahrgang mit momentan 122 Freiwilligen in 16 Ländern.
Und was verbirgt sich hinter dem Freiwilligendienst? Der Dienst ist - wie der Name schon sagt - freiwillig für junge Menschen beiderlei Geschlechts zwischen 18 und 26 Jahren und dauert 12 Monate Hinzu kommen etwa 6 Wochen Vorbereitungszeit im Juli/August in Aachen bzw. im Geschwister-Scholl-Haus. Mit den Freiwilligen werden zunächst Vereinbarungen über ihre Tätigkeit, den Einsatzort und die organisatorischen Fragen (Unterkunft, Verpflegung, Versicherungsschutz etc.) getroffen. Während der Vorbereitungszeit erfolgt eine Einführung in die Leitlinien des Dienstes sowie in die jeweilige Länderspezifik je nach Einsatzort. Hinzu kommen Sprachkurse, Studienaufenthalte und Sozialpraktiken in zukünftigen Gastländern. Diese Zeit soll den Freiwilligen auch das gegenseitige Kennen lernen ermöglichen. Die Vorbereitungsphase stellt somit zugleich eine Art Probezeit für alle Beteiligten dar. Während dieser Zeit kann der Dienst jederzeit und ohne weitere Bedingungen beendet werden. Der Einsatz ist vielfältig und findet dann in Werkstätten und Heimen für eltern-, arbeitslose, behinderte und straffällige Kinder und Jugendliche, in Sozialstationen, in Krankenhäusern, Alten- und Behindertenheimen, in Zentren für Obdachlose und Asylbewerber, bei mobilen Hilfsdiensten und in Armenküchen, bei der Betreuung ehemaliger KZ-Häftlinge, in sozialen Bildungswerken, in Zentren zur beruflichen und gesellschaftlichen Integration Benachteiligter oder in Städtepartnerschaften, in Jugendbildungshäusern und auch auf Soldatenfriedhöfen statt.

Die Betreuung der Freiwilligen erfolgt dabei durch die "Entsende-, Koordinierungs- und Aufnahmestelle", also dem ICE. In Pappritz befindet sich das Sekretariat des Vereins. Hier sind neben dem Geschäftsführer des ICE, Herrn Gebhard Ruess, der zugleich pädagogischer Leiter des Teams im Geschwister-Scholl-Haus ist, und den drei weiteren Referenten mit Freiwilligendiensterfahrung auch die Freiwilligenbeauftragte sowie 3 Verwaltungsmitarbeiter tätig. Im Josephshaus in Aachen ist P. Rieth mit zwei weiteren Mitarbeitern Ansprechpartner für die Freiwilligen. Das Team des ICE arbeitet mit hauptberuflichen sowie ehrenamtlichen Fachkräften und wird von ehemaligen Freiwilligen bei der Arbeit unterstützt.

Unter Verweis auf den nebenstehenden Bericht sollten wir uns vergegenwärtigen und bewusst werden, dass der Wert des freiwilligen Dienstes für die hilfsbedürftigen Menschen enorm ist. Für die Freiwilligen selbst ist es eine Lebenserfahrung, die keine Schule vermitteln kann. Das uneigennützige soziale Engagement dieser Jugendlichen, aber auch vor allem das all derer, die einen solchen Einsatz erst ermöglichen oder unterstützen und fördern, ist nicht hoch genug anzuerkennen und zu würdigen. Dem ICE sei gratuliert für die erfolgreiche Umsetzung des Projektes "Brücken bauen in Europa - Freiwillig Teilen und Dienen" mit allen guten Wünschen und viel Erfolg für die Zukunft.
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Einsatz einer Freiwilligen in Russland Quelle: ICE

 

Abschlussbericht einer 20-jährigen Freiwilligen - ein Auszug:

"... und direkt vor mir: der rasselnde, schnelle Atem von Jora. Er ist wie ein Rhythmus. Wenn ich lange genug sitze, höre ich nur noch sein Atmen und vergesse alles andere um mich herum. Nur wenn er Aussetzer hat, kurz aufhört zu atmen, öffne ich die Augen um mich zu vergewissern, dass er noch lebt. Dann sehe ich ihn, wie er in einem kleinen Bettchen liegt. Ich halte sein schlaffes Händchen in meiner Hand. Die Gitterstäbe von seinem Bett sind wie eine Grenze , die zwischen uns gezogen wird. ... Jora ist 8 Jahre alt. Er lebt in Russland. ... Jora hat eine schlimme Infektion. Seitdem liegt er im Krankenhaus. Allein. Er hat keine Eltern, keine Verwandten. Nur ich bin da. Doch heute ist mein letzter Tag! ... Ich muss los! ... Ich verabschiede mich von Jora. Schenke ihm ein Kuscheltier mit einer Spieluhr, ziehe sie auf und gehe. ...
Viele Gedanken gehen mir durch den Kopf. Warum regnet es für manche Menschen nur? Warum hat er es so schwer?' Moment mal. Es hat für ihn nicht immer geregnet! Weil, einer einzigen Person ist er nicht egal gewesen. Eine einzige Person liebt ihn! Ich!
In diesem Augenblick muss ich noch mehr weinen. Denn ich weiß, ab heute ist mein Jahr vorbei. Ab heute kann ich ihn nicht mehr begleiten. Wenn er jetzt stirbt, dann stirbt er allein! ...
Ich werde dieses Jahr und diese ganzen Menschen, die ich kennen lernen durfte, nie vergessen. ..."

Steffi Gutzeit

 

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geändert am___ 13-Mär-2009 ____von Jens Mizera