22. Pappritzer Gespräch

"Musik ist unser leben" Prof. Annette Unger und Prof. Karl Unger

von Dr. Siegfried Seibt

Am 20. April dieses Jahres fand das 22. Pappritzer Gespräch statt. Die beiden Dresdner Musikprofessoren waren in die alte Schule, dem jetzigen Bürgerhaus Pappritz, gekommen, um sich ihren Mitbürgern vorzustellen. Groß war das Interesse an diesem "kammermusikalischen Abend mit einprägsamen Gesprächspassagen". Selbst die Fläche der Akteure musste eingeschränkt werden, um in dem früheren Schulzimmer allen Besuchern Platz bieten zu können. Die Besonderheit der Veranstaltung hätte einen größeren Rahmen verdient. Glücklich jene, die dabei sein konnten!

Begleitet von der japanischen Pianistin Prof. Rieko Yoshizumi interpretierte Prof. Annette Unger (beide Hochschule für Musik Dresden) den 1. Satz der Sonate G-Dur, op.30, Nr.3 von Ludwig van Beethoven. Bis zur Pause folgten noch Werke von F. Kreisler: Menuett und 7 kleine Duos von Johannes Paul Thilmann. Wie gewohnt, moderierte Irina Simon souverän die Gesprächsrunden. Sie hatte das in Pappritz wohnende Künstlerehepaar besucht und Wissenswertes erfahren:

Beide wurden in Dresden geboren. "Er" 1920 und "Sie" 1962. Gemeinsam war ihnen ein "musikalisches Elternhaus". Ihre Eltern waren als Flötistin bzw. Pianist und Komponist tätig. Karls Vater war Musiker, seine Frau war zeitweilig als Chorsängerin an der Oper in Leipzig angestellt. Mit 5 Jahren musste Annette Blockflöte üben. Doch das Töchterchen hatte daran kein besonderes Interesse. "Denke ja nie, dass ich die Violine auch lerne!" Stattdessen lauschte sie dem Klang der Geige im Radio. Die Geige wurde ihr Instrument!

Früh übt sich, wer ein Meister werden will. Ab 1974 besuchte sie die Spezialschule für Musik in ihrer Heimatstadt. Ihr damaliger Lehrer für Violinspiel war kein anderer als Karl Unger. Viele Jahre später, im Jahre 1984 treffen sie sich an lässlich eines Konzertes im Moskauer Bolschoitheater, lernen sich aus anderer Sicht kennen, finden sich sympathisch und heiraten 1989. Erst 21 Jahre alt, erhält sie an der Dresdner Hochschule für Musik Dresden schon einen Lehrauftrag zugesprochen. 1992 wird ihr der Professorentitel verliehen. Gleichzeitig spielt sie in bedeutenden kammermusikalischen Ensembles, gründet 1996 die Kammermusikreihe in der Sempergalerie und 3 Jahre später die Internationale Musikakademie Meißen e.V. Außerdem ist sie im Vorstand der Yehudi-Menuhin-Stiftung "Iive music now e.V." engagiert und erteilt Meisterkurse in verschiedenen Ländern Europas für den künstlerischen Nachwuchs. Konzertreisen führten sie u.a. bis nach Japan.

Er: Geboren zur Zeit der Weimarer Republik, groß geworden im sog. Dritten Reich, seit Kriegsbeginn an der Ostfront, Kriegsgefangenschaft in Ostpreußen, Orchestermitglied der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Nebenberuflich ist er von 1951 bis 2001 als Dozent und Honorarkraft an der Musikhochschule Dresden tätig, 1992 wird er zum Professor ernannt. Prof. Karl Unger studiert bereits mit seinem 17. Lebensjahr an der Leipziger Hochschule für Musik Violine. Es mag wie eine Ironie des Schicksals klingen. Musiker, insbesondere Geiger, wurden "wegen des Gehörs" oft im Funkdienst eingesetzt. Um nicht vom Gegner geortet zu werden, schaltete man die Sendestationen zeitweilig ab.

So durfte in den oft langen Gefechtspausen am Musikinstrument geübt werden. Ein Umstand, der ihm auch in der Kriegsgefangenschaft in Ostpreußen zugute kam: "Musiker und Friseure nach rechts raustreten, befahl in gebrochenem Deutsch ein Beauftragter des Lagerkommandanten. Zögerlich wagten sich einige aus der angetretenen Reihe heraus. Sind wir die ersten, die erschossen werden sollen - waren die Gedanken. Zu tief waren die Furchen, die die Nazipropaganda bei uns hinterlassen hatte. Doch unerwartet kam alles ganz anders.

Die Friseure wurden zum Glatze schneiden der Kameraden abkommandiert. Wir durften unsere Haarpracht behalten. Bald waren wir Mitglieder der Lagerkapelle. Unsere Auftritte beschränkten sich auf sowjetische Lazarette und Kriegsgefangenenlager. Russen verstehen viel von Musik. Qualität wurde gefordert, sonst ging es ab in den Wald zu Fällarbeiten".

20 Tage nach seiner Entlassung spielte er in der Staatskapelle Dresden zur Probe vor und wurde sofort als Violinist eingestellt. Vierzig Jahre gehörte er bis zu seiner Pensionierung diesem berühmten Orchester an. Von 1951 bis 2001 war er als Dozent und Honorarlehrkraft an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden tätig. Als Pensionär kümmert er sich aktiv um das Häuschen und den Garten am Fernsehturm. Seit 1994 wohnen beide hier. Es ist eine herrliche Gegend, nicht nur wegen des Klimas, sondern auch wegen des kreativen Umfeldes. "Hier fühlen wir uns wie zu Hause. Ich möchte an der Seite meiner Frau noch viele Jahre älter werden und das von Musik begleitete Leben genießen".

Beide wollten ursprünglich nie Violinlehrer werden. Doch das Leben hat es so eingerichtet, Talente zu fördern und sie an die harten Anforderungen eines Musikers heranzuführen. Ihre Absolventen sind an führenden Orchestern oder an Hochschulen im In- und Ausland tätig. Die zukünftigen Violinisten der Dresdner Bildungsstätte kommen heute vorwiegend aus osteuropäischen Ländern und Asien. Bei deutschen Studenten gibt es eine rückläufige Tendenz, wobei Mädchen zahlen mäßig überwiegen, meint Frau Prof. Annette Unger. Emotional beeindruckend waren neben Werken von Efrem Zimbalist und Isaak Albeniz die Kompositionen ihres Vaters Hans Börner "Kleines Ballett".

Eine erlebnisreiche Veranstaltung fand mit einem herzlichen Beifall des leider meist älteren Publikums seinen Abschluss.

 

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geändert am___ 17-Aug-2007 ____von Jens Mizera